Frau unter der Dusche mit dem Rücken zur Kamera

Körper­wahrnehmung für dich nutzen

Mit bewusster Körper­wahrnehmung dein Erleben verändern
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Inhaltsverzeichnis

Wozu bewusste Körper­wahrnehmung wichtig ist

Gefühle, Gedanken und Empfindungen entstehen im Zusammenspiel miteinander und im ganzen Körper. Das macht unser Erleben aus und dieses Erleben ist unser Leben.

Sich ohne den Körper z. B. mit Gedanken oder Gefühlen zu beschäftigen, heißt einen riesigen Teil auszuklammern. Vielleicht kennst du das, wenn du z. B. trotz „positivem Mindset“ oder Gesprächstherapie nicht weiterkommst und das Gefühl hast, dass da etwas fehlt: Ja, tut es!

Mein Fokus ist bewusste Körperwahrnehmung, um sich selbst besser zu verstehen, mit sich in Kontakt zu kommen und daraufhin das eigene Erleben und Verhalten bewusst neu auszurichten. Das ermöglicht eine Veränderung, die aus sich selbst heraus entsteht.

Innere Zusammenhänge des Erlebens gut nachvollziehen zu können, ist dafür eine Grundlage und dazu möchte ich mit diesem Artikel beitragen. Du liest hier:

  1. wie Körperwahrnehmung funktioniert und
  2. wie und wozu Empfindungen, Gefühle und Gedanken zusammenwirken.

Beginnen wir von vorn: Was ist Körperwahrnehmung eigentlich?

Verschiedene Perspektiven auf Körper­wahrnehmung

Vorab sei gesagt, dass Körperwahrnehmung Verschiedenes meinen kann:

  • das unbewusste oder bewusste Verorten des Körpers im Raum und bei Bewegung (z. B. beim Fitnesstraining),
  • die Wahrnehmung des Körpers hinsichtlich z. B. seiner Proportionen (wichtig z. B. bei der Therapie von Körperwahrnehmungsstörungen) oder
  • das bewusste Lenken von Aufmerksamkeit auf bestimmte Empfindungen (wichtig z. B. in Körper(psycho)therapien oder bestimmten Meditationspraktiken).

Ich finde alle diese Aspekte wichtig und je feiner und genauer die Körperwahrnehmung insgesamt ausgeprägt ist, desto hilfreicher.

Im Folgenden geht es aber noch grundlegender und simpler, um die Fähigkeit, mit deinem Körper deinen Körper wahrzunehmen. Das ist die Voraussetzung für alle anderen Aspekte.

Definition von Körper­wahrnehmung

Körperwahrnehmung ist hier:

  1. jede Art von Informationsverarbeitung durch den Körper inklusive des Gehirns
  2. bezogen auf den eigenen Körper
  3. mithilfe der Sinnesorgane und weiterer körperinterner Sensoren (somatoviszeraler Sensibilität).

Das bedeutet Folgendes:

Wahrnehmung über Sinnesorgane

Sehen, hören, riechen, schmecken sind die Sinne, die gewöhnlich auf die Umgebung gerichtet sind. Mit ihnen nehmen wir aber auch unseren Körper äußerlich wahr:

Beispiel: Du machst Yoga und bleibst einen Moment in der Vorbeuge. Dabei kannst du:

  • deine Füße sehen,
  • kannst hören, wie ein Wirbel in deiner Wirbelsäule sich klackend verschiebt,
  • riechst deinen Schweiß und
  • könntest ihn auch schmecken, wenn du deinen Arm ablecken würdest.

Dazu kommt ein weiterer Sinn: dein Tastsinn. Mit ihm kannst du deinen Körper gleichzeitig von außen und von innen wahrnehmen.

Beispiel: Du greifst mit deinen Händen fest um deine Fußgelenke. Dabei spürst du:

  • mit deinen Händen deine Fußgelenke und
  • mit deinen Fußgelenken deine Hände.

Damit kehrst du die Aufmerksamkeit nach innen und landest bei deiner somatoviszeralen Sensibilität:

Somato-viszerale Sensibilität

Neben unseren Augen, Ohren, Nase und Mund, nehmen wir auch körperlich-organisch wahr über Sensoren

  1. in der Haut (Mechanorezeption),
  2. in Muskeln, Sehnen und Gelenken (Propriozeption) und
  3. im Gewebe (Thermorezeption) und in den inneren Organen (Viszerozeption).

Mit dem Tastsinn deiner Haut kannst du Druck, Berührung, Vibration und Kitzeln unterscheiden und bist damit oberflächensensibel.

Mit deinem Stellungs-, Bewegung- und Kraftsinn bist du tiefensensibel: Du kannst deinen Körper im Raum, deine Bewegungen und den Kraftaufwand dafür einschätzen.

Viszeral sensibel machen dich dein Temperatursinn, der dich Kälte und Wärme spüren lässt. Außerdem geben dir deine inneren Organe mit verschiedensten Rezeptoren v. a. Auskunft über deine innere chemische Balance oder Schmerzen.

Wie durch Körper­wahrnehmung Erleben entsteht

Diese Fähigkeiten machen es uns möglich, mit unserem Körper unseren Körper wahrzunehmen. Ergänzt wird das durch die Wahrnehmung der Umgebung und beides zusammen ermöglicht sozusagen ein „Leben in 3D“. Und so entsteht Erleben:

Körper­wahrnehmung als Voraussetzung zum Überleben

Im Dialog zwischen Außenwelt und Innenwelt signalisiert maßgeblich der Körper, was gerade zu tun ist, und macht das Beste aus dem, was er vorfindet.

Dafür wertet unser Körper, inklusive Gehirn, die gewonnenen Informationen aus und schätzt ein:

  1. ob wir uns im bestmöglichen Zustand befinden, um
  2. in der aktuellen Umgebung zu (über)leben.

Anschließend wird uns mehr oder weniger bewusst, was jetzt zu tun oder zu lassen ist, damit wir diesen Zustand erhalten oder erreichen. Und jetzt kommen Körperempfindungen, Gedanken und Gefühle ins Spiel:

Zusammenspiel von Empfindungen, Gefühlen und Gedanken

Unser Körper braucht aktives Handeln, damit wir gut überleben können. Dazu ist er darauf angewiesen, dass wir auf ihn hören.

Beispiel: Nehmen wir an, dein Blutzuckerspiegel sinkt gerade. Deine Organe brauchen langsam Glukose-Nachschub. Für den Körper ganz klar: jetzt ist Essen nötig.

Die Botschaft „schnell etwas essen“ sollte dich unmissverständlich erreichen. Das ist wichtig, damit du handlungsfähig bleibst.

Deswegen zieht es auch nicht nur in deinem Magen (Körperempfindung), sondern du bekommst auch noch schlechte Laune (Gefühl) = „hier stimmt etwas nicht“.

Sie schlägt nicht zufällig in Vorfreude um (Gefühl), sobald du dich an den leckeren Kuchen vom Café an der Ecke erinnerst (Gedanken) = „das würde die Situation verbessern“.

Dann dauert es nicht lange und bald stehst du vor der Vitrine und dir läuft der Speichel im Mund zusammen, damit du schnell verdauen kannst, was du dir gleich bestellst.

Hier hat alles reibungslos funktioniert. Auch wenn Kuchen vielleicht nicht die gesündeste Wahl war: Für einen schnellen Anstieg des Blutzuckers hat der Körper kurzfristig genau das Richtige ausgewählt.

An diesem Beispiel wird sichtbar, wie Empfindungen, Gefühle und Gedanken mitten in diesem komplexen körperlichen Zusammenspiel entstehen. Zusammen sind sie dazu da, unsere Ressourcen zu balancieren. Mehr Einblick dazu findest du in den Artikeln zu Gefühlen und Gedanken.

Außerdem wird klar, wie ein Körper auf Erfahrungen zurückgreift: Wer keinen Kuchen kennt, der*dem käme er auch nicht in den Sinn. Das ist entscheidend zu durchschauen, um uns auch in anderen Situationen besser zu verstehen:

Was spürst du: Vergangenheit oder Gegenwart?

Wie Erinnerungen das heutige Erleben prägen

Erleben trägt Erfahrungen in sich. Was wir empfinden, fühlen und denken, hängt immer auch von bisherigen Erlebnissen ab und von dem, „was schon mal funktioniert hat“.

Das gilt auch für Erlebnisse, die unangenehm, erschreckend, überwältigend, gefährlich und sehr anstrengend waren. Etwas daran hat uns offensichtlich so agieren lassen, dass wir noch leben. Daher werden ähnliche Situationen so lange ähnlich erlebt, wie eine andere Art zu erleben, sich als besser herausstellt.

Beispiel: Deine Familie hat früher beim Essen vielleicht viel gestritten und das hat dich beängstigt und belastet. Heute wissen Körper und Gehirn immer noch, dass Essen gut wäre, wenn dein Blutzucker sinkt. Aber auch, dass du dann in eine bedrohliche Lage kommen könntest – weil das so oft schon war. Als Folge isst du vielleicht ungern in Gesellschaft, spürst deinen Hunger erst zu spät oder dir wird schnell übel.

Damit sich dein Erleben ändern kann, sind neue, andere Erfahrungen nötig, die körperlich verankert sind.

Über Körper­wahrnehmung Erleben verändern

Man kann sich jetzt rational klarmachen, dass man z. B. heute gar nicht mehr mit der streitenden, bedrohlichen Familie am Tisch sitzt. Das ist nicht falsch, aber oft auch wenig wirksam.

Natürlich wissen wir, dass wir nicht mehr zehn Jahre alt sind, aber wissen wir das auch auf der entscheidenden tiefen körperlichen Ebene? Manchmal nicht.

Gedanken sind daher wenig wirksam, solange sie nicht mit einem unmittelbar körperlichen Spüren zusammenhängen.

Lernen wir aber schrittweise in so einer Situation, die gegenwärtige Sicherheit zu spüren, werden sich auch Gefühle und Gedanken daran orientieren. Dann kann z. B. mehr Gelassenheit einkehren und die Gedanken drehen sich nicht mehr unablässig im Kreis. Das ist der Moment, in dem Veränderung aus uns selbst heraus entsteht und Leben sich von innen her ändern kann.

Bitte beachte: Unangenehmes Erleben kann auch allein durch Krankheiten, zu wenig Bewegung, schlechten Schlaf oder unpassende Ernährung entstehen. Bitte vergiss daher nicht, dich auch medizinisch durchchecken zu lassen und beobachte deine Gewohnheiten.

Bewusste Körper­­wahrnehmung fördern

Spüren setzt auf einer sehr tiefen Ebene an. Dort, wo Worte vielleicht nicht oder bisher nicht hinkommen. Diese Ebene kannst du über die Arbeit mit bewusster Körperwahrnehmung berühren.

Sich viel und ausgiebig mit dem Körper zu beschäftigen, kann daher sehr wertvoll sein. Erste Anregungen dafür findest du z. B. in meinen Artikel zu Körperempfindungen und zum Körperbild.

Häufige Fragen

Quellen

  1. Birbaumer, Niels / Schmidt, Robert F.: Biologische Psychologie. 7. überarbeitete, ergänzte Auflage. 2018.
  2. Barrett, Lisa Feldman: Seven and a Half Lessons About the Brain. 2021.